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STEPHAN KAUßEN

Hallo Dr. Stephan Kaußen. Du bist seit 30 Jahren Journalist und hast in Aachen im Fach Politische Wissenschaft promoviert und auch Geschichte, sowie Internationale Zusammenarbeit studiert. Seit 2010 hast Du eine Professur der Journalistik in Köln inne. Man kennt Dich aus prominenten Häusern wie ntv, ARD-Hörfunk, Phoenix in vielen Printmedien, wo man Dich sehr als Experten schätzt. Im Bereich Sport bist Du als knallharter Analyst bekannt, sowie bei der Analyse im Brockhaus zu der WM 2014, Brasilien als WM- und Olympia-Gastgeber oder der FIFA. Aber auch zu politischen Themen wie z.B. dem „Erben von Nelson Mandela in Südafrika“ oder der allgemeinen „BWLisierung der Gesellschaft“, sowie der „RTLisierung“ der Gesellschaft beziehst Du klare Position. Außerdem bist Du noch Autor von zahlreichen Büchern, zu denen ich später noch kommen werde.

War es schon immer Dein Wunsch Journalist zu werden?

Ja, schon seit Kindheitstagen. Ich habe jeden Samstagnachmittag mit meinem Bruder bei meinem Opa in der Badewanne gesessen und die Fußball-Bundesliga im Radio gehört. Das wollte ich dann auch selbst am Mikro machen. Dem Fußball bin ich treu geblieben – seit über 30 Jahren jetzt schon als Journalist. Dazu kam dann mit dem Studium das Politische und die Gesellschaftsanalyse.

Du reist sehr viel und machst Dir Dein eigenes Bild. So warst Du auch in Südafrika und hast in Deinem Buch „20 Jahre Freiheit – Mandelas Südafrika – Vision oder Wirklichkeit?“ die Frage gestellt, warum der afrikanische Kontinent nicht auf die Beine kommt. Willst Du uns ein paar Deiner Analysen mitteilen?

Das ist schwierig in ein paar Zeilen. Ehrlich gesagt sogar zu schwierig an dieser Stelle, weil alle Verkürzungen bei einem so brisanten Thema zwangsläufig sinnentstellend sind. Das muss man im großen Zusammenhang sehen und lesen – deshalb ja auch ein Buch. (lacht) Aber eines steht fest: Wenn es – bei allen kulturellen und klimatischen Unterschieden zwischen Kairo und Kapstadt, zwischen Senegal und Eritrea – mehr politische Leadertypen vom Schlage eines Nelson Mandela gegeben hätte oder noch geben würde, dann sähe die Welt anders aus! Sowohl, was die Behandlung Afrikas durch die Industrieländer angeht, als auch die innerafrikanische Korruption und den Mangel an „Good Governance“. Es profitieren immer dieselben von den Rohstoff- und Geldströmen – auf beiden Seiten. Wir müssen uns jedoch fraglos um mehr Bildung und das Eindämmen des Bevölkerungswachstums kümmern, sonst kann es nicht besser werden. Ich liebe die afrikanische Herzlichkeit und Offenheit, von denen der politische Westen und seine oft überheblichen, zumindest aber meist selbstgefälligen Bürger vieles lernen könnten. Andererseits brauchen Staaten eine gute Organisation und die Orientierung am Allgemeinwohl statt partikularer Interessen. Aber wir merken: Das führt jetzt schon zu weit.

Von falscher „politischen Correctness“ hältst Du nichts. Mut und Klarheit sind Dein Motto. In Deiner Branche bekommst Du wahrscheinlich hin und wieder mal ordentlich Gegenwind. Wie gehst Du damit um?

Oh ja! Natürlich versuchen die meisten Politiker, Journalisten und Wissenschaftler sich an den unausgesprochenen Regeln entlang zu hangeln. Das ist zwar respektvoll und deshalb auch wichtig. Gleichzeitig können dadurch manche Themen nicht offen angesprochen werden, die aber angeschnitten werden müßten, weil sie schlicht zur Wahrheit gehören. Ein paar habe ich oben schon angedeutet.

Wenn es um Journalismus geht, hast Du EIN Vorbild, nämlich Peter Scholl-Latour. Was hat Dich an ihm so fasziniert?

Genau. Der Typ war immer klar. Immer gerade raus. Der hat sich nicht gescheut, harte Wahrheiten knallhart zu benennen! Aber das nicht einfach so, nicht als Theoretiker in den Redaktionen, die die Welt nie selbst bereist haben und im modernen Agentur-Journalismus nur voneinander abschreiben. Dadurch bilden sich angebliche Wahrheiten heraus, die oftmals aber den ganz wichtigen Mut zum Perspektivwechsel vermissen lassen. Das hat Peter Scholl-Latour ganz anders gemacht. Er hat die Welt bereist und dann darüber geschrieben. Und die Dinge auch unter Berücksichtigung kultureller Besonderheiten erklärt. Diese Mühe macht sich heute kaum noch jemand.

Dein aktuelles Buch heißt „Wir verhungern mit vollen Mägen“. Was hat Dich bewegt dieses Buch zu schreiben?

Meine Bücher entstehen immer aus einem aktuellen Impuls: JETZT muss es raus! Dabei läuft das bei mir irgendwie immer ähnlich ab: In meinem Hirn sammeln sich Informationen, über Jahre. Und irgendwann gibt es den Zeitpunkt, an dem sie strukturiert ausfließen können. Das ist so, als würde eine Badewanne volllaufen, ob mit Regen, Duschwasser, Schmelzwasser, egal ob sauber oder dreckig. Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem ich den Stöpsel ziehe und alles strukturiert abfließen kann – quasi wie aus einem Guss. Dabei entwickele ich dann häufig neue Begrifflichkeiten, die zu den Mega-Trends der Zeit passen. Zum Beispiel „Erweiterter Egoismus“ als Ausfluss der Dominanz des Neoliberalismus über drei Jahrzehnte. Dabei bleiben ökologische und humane Notwendigkeiten mehr und mehr auf der Strecke. Deshalb ja auch der Untertitel „Zeit für einen Ökologischen Humanismus“.

In diesem Buch ist auch von der BWLiseirung und RTLisierung der Gesellschaft die Rede. Kannst Du uns kurz erläutern, was genau Du mit diesem Neologismus meinst?

Unsere Gesellschaft wird immer individualistischer. Und oberflächlicher. Die meisten Menschen fragen sich, was es ihnen bringt, wenn sie etwas tun. Ob beruflich oder privat. Das ist eigentlich ein BWLer-Denken. Volkswirtschaftler würden sich eher fragen, was der Allgemeinheit dient? Ich plädiere also für eine ORIENTIERUNG am ALLGEMEINWOHL! Dies setzt jedoch eine humanistische Grundorientierung voraus, die mit einer bestimmten Wertvorstellung zusammenhängt. Diese kann eine Gesellschaft über die Schule, die Medien und gelebte Vorbilder entwickeln. Ganz viele Menschen bespaßen sich aber nur noch gegenseitig. Und viele Medien senden lieber seichte Unterhaltung als in diesem Sinne „bildende“ Inhalte. Das nenne ich dann „RTLisierung der Gesellschaft“, weil es seit den 1980er Jahren und dem Aufkommen privater Medien um sich greift. Leider verfallen dadurch auch die Öffentlich-Rechtlichen in einen Quotenwahn, da sie sich ja zum Teil auch über Werbung finanzieren. Dabei sollte die Orientierung an inhaltlicher Qualität entscheidend sein, nicht die am Ökonomischen. Hinzu kommt dann noch die Wucht der Digitalisierung im Alltäglichen, die die Menschen in der allgemeinen Hektik „verblöden“ lässt, obwohl sie meinen, mehr denn je zu wissen.

Zum Thema Medien und Fakenews. Hast Du da einen Tipp, auf was Menschen bei der großen Auswahl an Fernsehsendern achten müssen?

Ganz einfach: Lieber 3sat schauen als RTL2. Lieber Phoenix als… Und im Netz: Darauf achten, sich nicht nur in der eigenen Meinungsblase zu bewegen, sondern auch mal die Perspektive zu wechseln. Bei alledem gilt jedoch: Nichts ersetzt das Lesen von guten Büchern, denn die beinhalten komprimiertes Wissen – und Begreifen! Faustregel: Man muss schon viele Stunden investieren, um wirklich schlauer zu werden!

Was ist das verrückteste was Du je während Deiner journalistischen Laufbahn erlebt hast?

Puh, da gab es Vieles! Uli Hoeneß hat mich einmal nach einem verlorenen Bundesliga-Spiel mit Bayern gefragt, ob ich jemals in meinem Leben eine intelligente Frage gestellt hätte? Da war ich erst Mitte 20 und mußte in der Live-Situation natürlich gegenhalten – und zwar mit guten Argumenten. Das war tough! Richtig schade war, dass ich in Kapstadt nach einem Interview mit dem Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu feststellen mußte, dass der Ton zu schlecht aufgenommen worden war. Eigentlich hätte ich es damit ins heute journal von Wolf von Lojewski beim ZDF geschafft, einer ähnlich großen TV-Legende also wie Scholl-Latour damals. Das war ein Flüchtigkeitsfehler des Technikers beim Interview, hat mich aber mein komplettes Honorar gekostet. Und einen kleinen Traum zerstört, da es wirklich sooo schwer war, überhaupt einen Interview-Termin mit dem zweitwichtigsten Mann Afrikas am anderen Ende der Welt zu bekommen.

Bereust Du irgendeine Entscheidung in Deinem Leben?

Nein, eigentlich nicht. Höchstens, dass ich nirgendwo anders studiert habe als in meiner Heimatstadt. Das hat mich im Nachhinein ein paar Jahre gekostet, in denen ich die Welt schon viel früher mit anderen Augen hätte sehen können. Andererseits konnte ich so wirklich intensiv Fußballspielen und den anderen Teil meines Berufslebens viel intensiver verstehen, als wenn ich getingelt wäre. Einen Sport in einem echten TEAM zu erleben, ist eine unersetzliche Lebenserfahrung. Und das Wichtigste am Fußball ist ja das Gesellschaftliche: Hier zählt nicht, woher Du kommst. Nicht Dein Name, nicht Deine kulturelle Herkunft, nicht der Wohlstand oder die familiäre Not. Hier ist jeder per se gleich VIEL WERT, wenn er bereit ist, sich in eine Gruppe zu integrieren und zum Wohle ALLER alles zu geben.

Vielen Dank für Deine fachliche Expertise und ein wenig Einblick in Dein Privatleben lieber Dr. Stephan Kaußen!

 

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